Nachdem wir einen Tag bei Regenwetter im Hotel mit organisatorischen Dingen und dem Schreiben von Blog- Einträgen verbracht haben, machten wir von Tatvan aus einen Ausflug zum dortigen Nemrut Dağı. Der Berg mit demselben Namen, wie derjenige mit den Götterstatuen, ist ein erloschener Vulkan. Die Spitze des Berges wurde bei der Explosion weggeschleudert und es haben sich Kraterseen gebildet. Man kann mit dem Motorrad in den Krater und zu den Seen fahren. Es gibt auch eine heisse Quelle und einen Campingplatz. Diesen werden wir das nächste Mal besuchen :-).
Von Tatvan aus zu dem Krater, gibt es eine Strasse in ziemlich guten Zustand. Vom Krater aus Richtung Ahlat, gibt es eine Schotterstrasse, welche wir dann auch genommen haben, da wir in Ahlat noch einen alten seldschukischen Friedhof besichtigten.
Am folgenden Tag fuhren wir lediglich von Tatvan nach Van. Eigentlich suchten wir nach einer Unterkunft, wo wir bis ende Monat bleiben können, um nicht zu früh in den Iran einzureisen. Wir haben nur ein einmonatiges Visum für den Iran und das Visum für Turkmenistan beginnt anfangs August. Das Hotel in Tatvan war aber ungeeignet, da wir unsere Motorräder direkt an einer Strasse mit vielen Passanten parken mussten.
Strasse Richtung Ahlat, schlimmste Stelle
In der Nähe von Van haben wir ein schönes Hotel gefunden, aber dann trotzdem den Zeitplan über den Haufen geworfen. Mit der unklaren Sicherheitslage und dem Wissen, dass in der Umgebung vor kurzem Menschen bei Anschlägen auf die türkischen Sicherheitskräfte gestorben sind, fühlen wir uns nicht wohl. Wir haben den Konflikt unterschätzt, auch weil in den europäischen Medien bei weitem nicht die gesamte Tragweite davon vermittelt wird. Wie krass es wirklich ist, werden wir später noch sehen..
Infolge dessen, habe wir nur die Insel Akdamar besucht, wo wir tatsächlich mal im Van- See badeten und einen neuen Plan erarbeitet.
Kurdistan innerhalb der Türkei zu verlassen, schien uns nicht sinnvoll, da wir bis ans schwarze Meer hätten fahren müssen, um in sicheres und halbwegs interessantes Gebiet zu kommen. Die Grenzübergänge zum Iran liegen aber alle in Kurdistan, somit hätten wir nach ein paar Tagen eh wieder zurück fahren müssen. Somit haben wir uns entschlossen, früher als geplant in den Iran zu fahren und dort unser Visum verlängern zu lassen.
Wir wollten uns auch noch neue Reifen schicken lassen, da dies in den folgenden Ländern nicht mehr so einfach / günstig möglich ist. Deshalb haben wir in Doğubeyazıt ein Hotel gebucht, wo wir auf die Reifen warten und dann das Land verlassen möchten.
Am letzten Abend bei Van hatte Silvia wieder einmal die Möglichkeit, sich von ihrer tierliebenden Seite zu zeigen. Sie hat vom Fenster des Hotelzimmers aus beobachtet, wie einige Halbstarke einen kleinen Hund in eine ummauerte Wiese auf dem Grundstück nebenan geworfen haben. Schnell war klar, dass der kleine Bello dort gefangen war, denn es gab nur ein geschlossenes Tor als Zugang und offensichtlich kein Schlupfloch. Der Kleine Jaulte herzzerreissend, als er seine ausweglose Situation erkannte. Für Silvia war es klar, dass das so nicht geht. Alleine eine Befreiungsaktion starten, wollten wir nicht, da es uns nicht besonders schlau erschien, auf einem fremden Grundstück über eine Mauer zu klettern, ohne uns sprachlich verständlich machen zu können.
Zum Glück kamen wir etwas später am Abend mit Gürsel ins Gespräch, einem Bauingenieur, nebst uns der einzige Gast im Hotel. Ihm erklärten wir die Lage und er konnte das Problem den nicht wirklich englisch sprechenden Angestellten des Hotels verständlich machen. Sie versprachen, sich darum zu kümmern. Wir verbrachten danach einen lustigen Abend mit Gürsel mit Gesprächen über Gott und die Welt. Am nächsten Morgen war der Hundi jedoch immer noch in seinem Gefängnis zu sehen! Silvia hakte nochmals nach und als Folge machten wir uns zusammen mit zwei Hotelangestellten zur Rettung auf. Durch einen Spalt im Maschendrahtzaun des Tors konnte ich mich durchzwängen und das völlig verängstigte Tier retten. Im Hotel bekam es Wasser und Wurst und konnte sich so von seinem Schock erholen. Zusammen mit einem anderen Hund konnte der kleine Hund nun vorerst im Hotel bleiben.
Nach dieser Aktion lud uns Gürsel ein, „seine“ Baustelle zu besichtigen. Das taten wir sehr gerne und so hatten wir die Möglichkeit, uns die Entstehung eines neuen Strassenstücks inkl. Landgewinnung und Brücken erklären zu lassen.
Danach machten wir uns auf, die 180km nach Doğubeyazıt unter die Räder zu nehmen. Nach Van geht es ca. 90km ohne Abzweigung oder grössere Ortschaften durch die Berge. In einer kleinen Ortschaft stand ein Absperrgitter mit einem Schild der türkischen Polizei, auf der Strasse. Die Beschriftung auf dem Schild natürlich nur auf türkisch. Ist ja nicht so, dass wir uns auf einer Hauptverkehrsachse Richtung Iran befinden würden!
Neben dem Gitter war jedoch noch genügend Platz um daran vorbei zu Fahren. Das taten auch div. Domlus und LKW während dem wir hielten um uns ein Bild der Situation zu machen. Ich befragte mit Händen und Füssen den Fahrer einen Lieferwagens. Er gab ein zögerliches „go“ als Antwort. Irgendwas ist also nicht 100% ok, aber ein Transit scheint machbar zu sein.
Was nicht ok ist, sahen wir ca. 30km später. Auf einem kleinen Pass, nach einer Kurve, war die Strasse durch einen Erdwall blockiert. Da ich die Umfahrung der Blockade zuerst nicht sah, hielt ich an und schaute mir die Situation an: Der Erdwall war offensichtlich zum alleinigen Zweck der Blockade errichtet worden, denn dahinter ging die Strasse weiter. Als ich wieder auf dem Motorrad sass und auch die Umfahrung sah, kamen zwei Teenager auf Pferden auf uns zugeritten. Als sie näher kamen, war zu sehen, dass sie vermummt waren. Waffen waren keine zu sehen. Ich beschloss, auf die Jungs zu warten, da sie uns auf der unwegsamen Umfahrung eh eingeholt hätten und wir ja auch nicht auf der asphaltierten Strasse zurück fahren wollten. Die Jungs versuchten schliesslich erfolglos Geld, Alkohol und Zigaretten zu erbetteln. Danach zeigten sie uns die Umfahrung.
Auf der Umfahrung sahen wir eine sehr merkwürdige Szene: ca. 50m entfernt stand ein LKW entgegen unserer Fahrtrichtung. Der Fahrer des LKWs war ca. 20m von dem LKW entfernt und rannte zu diesem zurück. Es sah so aus, als ob er von einem Reiter verfolgt werden würde! Diese Szene war zu viel für unsere angeschlagenen Nerven und veranlasste uns, umzukehren. Wir verliessen also die Umfahrung und fuhren ca. 2km auf der asphaltierten Strasse zurück. Dann hielten wir an und berieten das weitere Vorgehen. Ein LKW, der vor dem, mit dem rennenden Fahrer fuhr, sah uns am Strassenrand und hielt an. Er hat vermutlich die Szene mit seinem Kollegen und unsere Flucht beobachtet. Nach einigen typisch türkischen „no problem“ seinerseits hatten wir das Gefühl, dass wir die Szene evtl. fehlinterpretiert hatten. Während unseres Dialogs ist zudem der LWK mit dem rennenden Fahrer an uns vorbeigefahren. Scheinbar tatsächlich „no problem“.
Wir wagten deshalb noch einen neuen Versuch und konnten ohne Probleme auf der Umfahrung die Blockade passieren. Es waren keine Reiter mehr zu sehen.
Ich glaube, wir haben uns nie in unmittelbarer Gefahr befunden, wir sind schliesslich nur harmlose Zivilisten, dennoch zeigt dieser Erlebnis, wie wenig die Regierung die Lage im Griff hat!
Bei der Einfahrt in Doğubeyazıt war dann erstmals der Arrarat zu sehen. Ein sehr beeindruckender Berg! Am folgenden Tag haben wir den renovierten Ishak-Pascha-Palast besichtigt, zudem sind unsere Reifen beim Hotel eingetroffen. Wir können also in den Iran einreisen!
Armenische Kirche auf Akdamar Insel
Auf dem Weg Richtung Doğubeyazıt